Aus dem Rechenschaftsbericht an den 3. Kongress (Zeitraum Mai 2023 – September 2025)
Internationale Zuspitzung
Die Welt brennt: eine Horrormeldung jagt die andere und international spitzen sich die Konflikte immer weiter zu. Hintergrund davon ist der verschärfte Kampf um die Beherrschung der Welt: Mit dem fortwährenden Aufstieg Chinas wird die Hegemonie der USA offen in Frage gestellt. Weitere imperialistische Länder verfolgen ihre Interessen aggressiver, etwa Russland mit seiner fortgesetzten Invasion in der Ukraine. Auch Deutschland – als eines der stärksten imperialistischen Länder der Welt und führendem Land der Europäischen Union – will sich seinen Platz erkämpfen. Die Entwicklung hierzulande ist deshalb nur im Kontext der weltweiten Entwicklungen zu verstehen. In der Zeit seit unserem letzten Kongress (im Mai 2023) haben sich dabei verschiedene Tendenzen noch weiter verstärkt und an Geschwindigkeit zugenommen.
Kriege, verstärkte Aufrüstung und Weltkriegsvorbereitung: Der Ukrainekrieg ist der Brandherd, wo weltweit die imperialistischen Gegensätze bisher am offensten aufeinander treffen. Hier stehen sich die NATO und Russland immer direkter gegenüber. Parallel dazu bahnt sich im Gerangel um die Insel Taiwan seit längerem eine direkte Konfrontation zwischen den USA und China an – was ein Weltkriegspotenzial ist. Die Politik des neuen US-Präsidenten zielt dabei darauf ab, dass sich Europa um die Ost-Flanke der NATO und den imperialistischen Rivalen Russland kümmert, damit sich die USA auf die Bekämpfung Chinas konzentrieren können. Im Windschatten dieser imperialistischen Kriege und Kriegsvorbereitungen treten derweil regionale Akteure und Mittelmächte in die Offensive, wie etwa das imperialistische Israel. Dieses versucht als Antwort auf den 7. Oktober Westasien neu zu ordnen um seine Herrschaft und die der USA dort abzusichern. All diese Entwicklungen gehen mit einer massiven Aufrüstung aller kapitalistischen Länder einher. Wir können also beobachten, wie sich die imperialistischen Länder immer schneller darauf vorbereiten, dass die Welt in einem neuen großen imperialistischen Krieg untereinander neu aufgeteilt wird.
Ökonomische Neuordnung: Der zunehmende Konkurrenzkampf wirkt sich auch auf die Weltwirtschaft aus. Während mit der kapitalistischen Globalisierung bisher versucht wurde, internationale Lieferketten aufzubauen um den Unternehmen Maximalprofit zu bescheren, ändert sich dies nun teilweise. Um im Kriegsfall über entscheidende Rohstoffe und relevante Betriebe wie etwa Chipfabriken zu verfügen, „verkürzen“ viele Länder ihre Lieferketten und konzentrieren sie mehr auf verbündete Länder. Die USA versuchen sich selber dabei durch einen aggressiven Zollkrieg in eine gute Ausgangsposition zu bringen. Deutschland hat als besonders exportorientiertes Land wenig Interesse an diesen Entwicklungen und versucht diese zu unterlaufen.
Offene Machtpolitik statt Scheindiplomatie: Auf politischer Ebene sind bisherige Institutionen der Diplomatie, wie die UN, die Welthandelsorganisation oder der Internationale Strafgerichtshof praktisch immer unbedeutender geworden. Wichtige imperialistische Player halten selbst diese Feigenblätter nicht mehr für notwendig. Stattdessen werden die nationalen Interessen immer aggressiver nach außen vertreten. Das zeigt sich auch in einer weiteren Stärkung faschistischer Kräfte weltweit, welche genau diese Haltung für die jeweiligen Kapitalistenklassen am besten vertreten können.
Aufrüstung und Rechtsruck in Deutschland
Die Macht des imperialistischen Deutschlands ist bisher vor allem auf seinen starken Konzernen aufgebaut, die in alle Welt exportieren. Deutschlands Wirtschaftsmodell wurde mittlerweile jedoch von den internationalen Abschottungstendenzen überholt. Das ist auch der Hintergrund davon, dass sich die deutsche Wirtschaft bis heute vom wirtschaftlichen Einbruch 2019/2020 nicht erholt hat und sogar weiter schwächelt.
Die anhaltende Schwäche des deutschen Imperialismus und die Suche nach einem Ausweg war der Grund, warum die Ampelregierung aus SPD, Grüne und FDP Ende 2024 scheiterte. Zwar war man sich einig, dass es eine massive Aufrüstungswelle benötige um nicht nur wirtschaftlich, sondern auch militärisch international mitspielen zu können. Dafür sollte der Rüstungssektor als Standbein der deutschen Wirtschaft wieder gestärkt werden. Auf die Frage, wie dies jedoch finanziert werden sollte – durch massive Kürzungen oder auch durch massive Schuldenaufnahme – konnte sich die Ampel nicht einigen. Nach dem Koalitionsbruch und vorgezogenen Neuwahlen im Februar 2025 zeigte der deutsche Imperialismus wozu er aufgrund seiner wirtschaftlichen Macht fähig ist: Vermittels eines gigantischen Kriegs-Kredite-Pakets wurde im März – noch vor Konstituierung des neuen Bundestags – von SPD und CDU mithilfe der Grünen eine gigantische Schuldenaufnahme ermöglicht. Die neue Regierung aus SPD und CDU ist jedoch von Beginn an nicht sehr stabil. Im ersten Wahlgang scheiterte der Kapital-Liebling Friedrich Merz (CDU) und wurde erst im zweiten Wahlgang gewählt, nachdem die Linkspartei eine schnelle erneute Wahl ermöglicht hatte. Zuletzt zeigte sich bei einer Richterwahl, dass Risse in der Koalition vorhanden sind. Zugleich nähern sich bestimmte Teile der CDU auch auf Bundesebene weiter der AfD an um zukünftig eine politische Zusammenarbeit weiter vorzubereiten. In den kommenden Jahren ist deshalb mit direkten CDU-AfD-Zusammenarbeiten auf unterschiedlichen Ebenen zu rechnen.
Die Aufrüstung nach außen ging in der vergangenen Periode mit einer deutlichen Militarisierung nach Innen einher (Vorbereitung der Wiedereinführung der Wehrpflicht, militaristische Agitation u.a.). Diese Rechtsentwicklung setzte sich in fast allen anderen Bereichen fort (u.a. im Kampf gegen Geflüchtete) wo sowohl Ampel als auch neue Regierung bereits Teile des AfD-Programms umsetzen. Dies hat diese jedoch nicht geschwächt, sondern den Faschismus immer mehr salonfähig gemacht. Die politische Rechtsentwicklung geht auch mit Zunahme an Gewalt gegen Frauen und LGBTI+ Personen einher.
Hinzu kommen Angriffe auf die Arbeiter:innenklasse: zum einen sehen wir die langfristige Absenkung des Lebensstandards unserer Klasse. Dies wurde durch die Ampelregierung und DGB begonnen, als die massive Inflation zwar mit Einmalzahlungen aber nicht mit Reallöhnen ausgeglichen wurde. Zum anderen soll mit der Abschaffung des 8-Stunden-Tags die Arbeiter:innenklasse noch mehr ausgepresst werden können. Hinzu kommen Kürzungen in vielen verschiedenen sozialen Bereichen und die Debatte um ein höheres Renteneintrittsalter. Zugleich werden diese Entwicklungen weiterhin in die Länge gezogen und mit verschiedenen Maßnahmen wie zum Beispiel einer Erhöhung des Mindestlohns abgefedert. Gerade diese fortgesetzte „Salami-Taktik“ – in der die Angriffe scheibchenweise kommen – ist es auch, welches die Klassenkampfsituation beeinflusst.
Die Lage unserer Klasse und unsere Antwort
International führen die auftretenden Spannungen zu massiven Kämpfen, Regierungsstürzen und Massenbewegungen, die aber politisch oftmals diffus bleiben. Weltweit ist die Lage bei aller Unterschiedlichkeit davon geprägt, dass in den meisten Ländern klassenkämpferische Kräfte nur eine kleine Rolle spielen – auch wenn es viele Kämpfe gibt von denen wir lernen müssen.
In Deutschland führt die sich rasant entwickelnde Weltlage zu uneinheitlichen Reaktionen in unserer Klasse und den kleinbürgerlichen Schichten. Ein Teil versucht sich dem Weltgeschehen zu entziehen, konsumiert weniger Nachrichten und bemüht sich das Leben im imperialistischen Zentrum wie bisher weiterzuführen, „solange es noch geht“. Ein anderer Teil nähert sich auf der Suche nach Lösungen rechten Positionen an. Zugleich gibt es einen bestimmten Teil der Klasse und werktätigen Bevölkerung, welche aufgrund der aktuellen Entwicklungen unter fortschrittlichen Vorzeichen auf die Straße geht. So gab es in der vergangenen Jahren eine Reihe an größeren politischen Bewegungen: Dazu gehören etwa die Anti-AfD-Proteste mit hunderttausenden Teilnehmenden vor der Bundestagswahl, die jedoch weitgehend unter bürgerlicher Führung standen. Auch gegen den Völkermord in Palästina entstand weltweit eine Solidaritätsbewegung, welche sich in Deutschland in kämpferischen Protesten ausdrückte. Diese waren von massiver Repression inklusive Organisationsverboten, Haftstrafen und vor allem massiver Aushöhlung des Versammlungsrechts begleitet. Auch gegen Kürzungen auf Landesebene gab es in einigen Bundesländern größere Proteste in dessen Zuge auch bestimmte Kürzungen zurückgenommen wurden. Zudem gab es im vergangenen Zeitraum immer wieder kämpferische Tarifrunden wobei die erkämpften Tarifabschlüsse oftmals unter dem Reallohnausgleich der letzten Teuerungen geblieben sind. Politische Forderungen spielen weiterhin in den betrieblichen Kämpfen kaum bis keine Rolle. Zugleich gab es größere Bewegungen die verstärkt unter rechter Führung standen: Ab Ende 2023 gab es über mehrere Monate lang massive Proteste von Bäuer:innen in Deutschland und weiterhin ziehen regelmäßig rechte Montagsdemonstrationen durch deutsche Städte, insbesondere in Ostdeutschland.
Dies hängt auch mit der Schwäche der fortschrittlichen, revolutionären und sozialistischen Kräfte zusammen. Die politische Widerstandsbewegung ist in den letzten Jahren aufgrund ihres Rückzugs in den staatstragenden Opportunismus in der Corona-Zeit, ihrer Zurückhaltung sich in wesentlichen Fragestellungen wie zur Ukraine und zu Palästina zu positionieren und der Unfähigkeit eine klare Strategie zu entwickeln, eher geschwächt worden. Klassenkämpferische Kräfte – wozu auch wir gehören – konnten sich tendenziell stärken, diesen Abfall aber nicht wett machen. Zudem haben diese Kräfte in den oben genannten Bewegungen nur vereinzelt eine führende Rolle gespielt. Derweil hat die sozialdemokratische Linkspartei vor allem angesichts der Wahlerfolge der AfD massiven Aufschwung zu verzeichnen, mit dem kämpferische Potenziale in staatstragende Bahnen gelenkt werden. Zugleich zeigt sich hier Bedürfnis und Potenzial nach einer klaren linken Alternative in einer polarisierteren Gesellschaft und politischer Lage.




