Am ersten Dezemberwochenende sind wir mit Frauen, trans- und nicht-binären Genoss:innen aus unseren Strukturen aus allen Teilen Deutschlands zusammengekommen, um uns gemeinsam in der Arbeit zu Fällen von patriarchalem Fehlverhalten und Gewalt zu schulen. In dieses Wochenende und somit auch unsere Arbeit zu patriarchalem Fehlverhalten und Gewalt wollen wir mit dieser Auswertung einen kleinen Einblick geben.
Wie kommt’s?
Dieses Wochenende baut auf der Arbeit auf, die wir im vergangenen Jahr auf allen Ebenen unserer Organisation geleistet haben. In all unseren Städten wurden verschiedene Diskussionsrunden, Vollversammlungen und Seminare durchgeführt, um uns als Organisation auf allen Ebenen im Kampf gegen das Patriarchat zu schulen. Dabei ging es vor allemdarum, aufbauend auf einer kritischen Analyse unserer Vergangenheit eigene Strukturen aufzubauen, um die Arbeit zu patriarchalem Fehlverhalten und Gewalt professionalisieren zu können. Ein großer Teil dieser Arbeit war bisher, eine grundsätzliche gemeinsame Haltung zu schärfen, ein Gerüst zu entwerfen und mit dem Aufbau zu beginnen und hierbei alle Ebenen der Organisation zu schulen und mitzunehmen. Damit nicht nur ein paar Genoss:innen, sondern in Zukunft alle Verantwortung in der Arbeit übernehmen.
Aufbauend darauf haben wir uns entschieden, unter Genoss:innen, die in dieser Arbeit anleitende Aufgaben übernehmen oder in Zukunft übernehmen sollen, zusammenzukommen. Ziel war dabei, uns über die Grundlagen unserer Arbeit und unsere Erfahrungen auszutauschen, um darauf basierend unsere Arbeit weiterzuentwickeln. Weiterhin haben wir uns in den Seminaren zur Arbeit mit Betroffenen, mit Personen die sich Fehlverhalten haben, als auch mit Täterarbeit beschäftigt und weitergebildet.
Wie sieht so ein Wochenendseminar aus?
Im Vorfeld haben wir uns für verschiedene thematische Schwerpunkte entschieden, die das Wochenende besonders prägen sollten. Hier haben wir uns bewusst dazu entschlossen , einen großen Fokus sowohl auf die Arbeit mit Betroffenen zu legen, als auch auf den Umgang mit eigenen Erfahrungen und Emotionen.
Im ersten Drittel unseres Seminarwochenendes haben wir uns darauf konzentriert, noch einmal unsere gemeinsamen Grundlagen zu vertiefen und zu diskutieren, insbesondere bei offenen Fragen. An vier Stationen haben wir uns mit den Themen „Die Rolle der Frau in der antipatriarchalen Arbeit und das Recht auf Selbstverteidigung“, „Patriarchales Fehlverhalten und Gewalt – Wie ordnen wir das ein? „Geschlechtsbewusstsein und die Arbeit daran sowie Ernsthaftigkeit und Objektivität in der Arbeit“ diskutiert.
In einem zweiten Seminar haben wir uns dann in einer großen Diskussionsrunde gemeinsam mit dem Thema Persönlichkeitsentwicklung auseinandergesetzt. Teil davon waren Basics marxistischer Psychologie und wie Patriarchat und Kapitalismus die Persönlichkeit von uns und unserer Klasse beeinflussen. Ein weiterer Teil war die Frage, wie wir das Ganze in unserer politischen Arbeit anwenden können.
Betroffene priorisieren, stärken und in politische Entscheidungen einbeziehen
Am Nachmittag haben wir uns gemeinsam mit der Arbeit mit Betroffenen auseinandergesetzt und verschiedene Diskussionen vom Vormittag vertieft. Bestandteil dessen war die Auseinandersetzung, weswegen wir die Arbeit machen und was unsere Ziele und Ansprüche dabei sind.
- Was heißt es, parteiisch auf der Seite der Frauen zu stehen und Betroffenen zu glauben
- Wie gehen wir damit um, wenn wir von Fällen von patriarchalem Fehlverhalten und Gewalt erfahren – was ist wichtig im Umgang mit Betroffenen? Wie können wir sie akut und langfristig unterstützen?
- Wie kann eine Arbeit mit Betroffenen aussehen, wie geht man diese Arbeit planvoll an und nimmt zeitgleich Rücksicht auf die sich verändernde Situation und Bedürfnisse von Betroffenen – und orientiert sich daran?
- Was bedeutet es für uns, eine Priorität auf diese Arbeit zu setzen – welche Konsequenzen hat das für die ausübenden von Fehlverhalten und Gewalt?
- Wie können wir Betroffene, wenn sie das möchten, in politische Entscheidungen einbeziehen?
- Wie sind neben Frauen auch trans- und nichtbinäre Personen von patriarchaler Gewalt betroffen?
- Und was sind letztlich die Möglichkeiten, aber auch Grenzen unserer Betroffenenarbeit.
Mit diesen und vielen weiteren Fragen haben wir uns am Nachmittag in Vorträgen, aber auch in Übungen auseinandergesetzt. Am Abend haben wir uns dann der Frage der Rolle von Emotionen und eigenen Erfahrungen in der Arbeit gewidmet.
Patriarchales Fehlverhalten und Gewalt: Konsequenzen, Maßnahmen und Ziele in der Arbeit
In unserem letzten Seminarteil am Sonntagmorgen haben wir uns in einer 4,5- stündigen Übung mit der Arbeit zu patriarchalem Fehlverhalten und Gewalt auseinandergesetzt. Hier ging es darum, zu verinnerlichen, wie wir anhand unserer Leitlinien mit Vorwürfen umgehen, die uns erreichen. Auch wollten wir hier Schwierigkeiten zu diskutieren, die uns häufig begegnen, und gemeinsam Lösungsstrategien entwickeln.
Dabei haben unter anderem folgende Fragen eine Rolle gespielt:
- Wie sieht unsere erste Reaktion aus wenn wir von Vorwürfen hören, wie schaffen wir es, schnell und zuverlässig zu reagieren?
- Wie schaffen wir es, eine Tat politisch einzuordnen und darauf aufbauend politische Maßnahmen zu ergreifen und Konsequenzen zu ziehen?
- Wenn wir uns dazu entscheiden, mit einem Mann oder einer anderen ausübenden Person zu ihrem patriarchalen Fehlverhalten und Gewalt zu arbeiten – wie sieht diese Arbeit dann konkret aus? Welche Ziele haben wir und wie stellen wir realistische Arbeitspläne auf, um diese zu erreichen?
- Wie reflektieren wir während des Prozesses, ob die Arbeit funktioniert, und wie werten wir Prozesse auch abschließend aus?
Wie geht die Arbeit weiter?
Aufbauend auf den Seminaren des letzten Jahres, sowie diesem Schulungswochenende wollen wir unsere Arbeit mit Betroffenen und zu patriarchalem Fehlverhalten und Gewalt noch weiterentwickeln. In der Zukunft ist geplant, auch Schulungen für Männer anzubieten, die in diese Arbeit einbezogen werden sollen, und so alle Geschlechter noch stärker in die Verantwortung einzubeziehen. Außerdem wollen wir uns mit der Entwicklung von Seminaren zu Sexualität und Konsens auseinandersetzen, sowie die verschiedenen Schulungen und ihre Durchführung stärker systematisieren.
Insbesondere in der Arbeit mit Betroffenen haben wir uns das Ziel gesetzt, uns explizit mit Methoden auseinanderzusetzen und auch von anderen politischen Strömungen zu lernen, um unsere Arbeit in diesem Bereich noch weiterzuentwickeln.
Im Rahmen dieser Auseinandersetzung wollen wir den Austausch verschiedener Organisationen der linken und fortschrittlichen Bewegung stärken – um so voneinander lernen zu können und gemeinsam im Kampf gegen das Patriarchat weitere Schritte voranzugehen.




