Erklärung zur aktuellen Lage in Palästina/Israel
In den frühen Morgenstunden des 7. Oktobers begannen gezielte Kommandooperationen verschiedener Organisationen der palästinensischen Widerstandsbewegung. Von der islamisch- fundamentalistischen Hamas bis zu fortschrittlichen Organisationen begannen Kämpfe in einem Ausmaß, welches es seit Jahrzehnten nicht gegeben hat.
Wie kam es zu der Situation?
Die aktuelle Situation muss in jahrzehntelange Besatzung, Vertreibung und Massaker durch die israelische Regierung eingeordnet werden. Seit Jahrzehnten findet eine Kolonialisierung der palästinensischen Gebiete statt. DIese ist mittlerweile so weit fortgeschritten, dass es kaum noch zusammenhängende Gebiete gibt. Sie sind von einem mächtigen israelischen Staatsapparat umgeben und werden immer weiter zerstückelt.
In den vergangenen Monaten hat sich die Situation in Palästina und Israel bis aufs äußerste zugespitzt. Der israelische Staat befindet sich in einer tiefen politischen Krise, die von immer wiederkehrenden Neuwahlen und Unzufriedenheit in der eigenen Bevölkerung geprägt ist. Zuletzt versuchte sie seit Beginn des Jahres das Justizsystem zu reformieren, wodurch die Regierung nun ohne richterliche Überprüfungen regieren kann und das höchste Gericht faktisch außer Kraft gesetzt wird. In ganz Israel regte sich der Protest, da auch die letzten Reste der Demokratie, die für die israelische Bevölkerung galten, damit massiv ausgehöhlt wurden. Gegen den massenhaften Protest wurde die Reform im Juli diesen Jahres verabschiedet.
Aber nicht nur gegenüber der israelischen Bevölkerung zeigt die Regierung ihr reaktionäres Gesicht. Die Angriffe und Militäroperationen gegen die Palästinenser:innen wurden in einer Härte durchgeführt, wie sie seit Jahrzehnten nicht zu sehen waren. Der Gaza-Streifen steht unter Raketendauerbeschuss, im Westjordanland griffen Teile der, von der Regierung Jahrzehnte lang verhetzten, israelischen Bevölkerung zusammen mit israelischen Soldat:innen palästinensische Wohngebiete an. Immer wieder kam es auch zu bewaffneten Aktionen verschiedener palästinensischer Kräfte.
Während die israelische herrschende Klasse zerstritten war, hatte sich auch die internationale Lage geändert. Die fundamentalistische Regierung des Iran versucht immer offener ihre Interessen in der Region durchzusetzen, während sich die USA aus der Region zurückziehen, um sich auf den imperialistischen Wettstreit mit China zu konzentrieren. Auch dies ist der Hintergrund des Zeitpunkts der nun stattgefundenen Kommandoaktionen.
Wie weit sich die Proteste noch ausdehnen, ob es Massenaufstände in ganz Palästina geben wird, oder wie diese ausgehen, ist nicht absehbar. Absehbar ist jedoch, dass die israelische Regierung die Aktionen auch in der kommenden Zeit nicht unbeantwortet lässt. Die schon aufs äußerste zugespitzte Repression und Unterdrückung wird weiter zunehmen. Auch eine Bodenoffensive in Gaza wurde schon angekündigt.
Der Widerstand gegen die koloniale Besatzung durch den israelischen Staat und zionistische Siedler ist grundsätzlich legitim und die Grenzen der Siedlungsgebiete stellen keine Grenzen für die Legitimität des Widerstandes dar. Der israelische Staat ist ein Klassenstaat, der von der Ausbeutung und Unterdrückung der israelischen Arbeiter:innenklasse, der Palästinenser:innen und anderer ethnischer Gruppen lebt. Die Racheaktionen dieses Staates inklusive der Bombardierung von zivilen Gebäuden und ziviler Infrastruktur sind also keineswegs eine „Selbstverteidigung“ des israelischen Volkes.
Das Ende der Besatzung ist notwendig, um den Weg zur Befreiung der Region im Sozialismus zu ebnen.
Als Sozialist:innen stehen wir für eine Welt des Friedens und der Freiheit ein. Wir wissen, dass der Weg dahin über den Kampf gegen die eigene herrschende Klasse verläuft, gegen die eigene Bourgeoisie. Doch wo eine Besatzung von Außen herrscht, tritt dieser Widerspruch im Bewusstsein der Masse der Unterdrückten oftmals in den Hintergrund – so auch in Palästina. Die nationale Selbstbestimmung ist deshalb eine notwendige Übergangsstufe, sodass der Widerspruch im Innern wieder sichtbar werden kann. Für uns gilt das Prinzip, dass jedes Volk ein Recht auf Selbstbestimmung hat und dieses mit einem eigenen Staat zu verwirklichen oder sich freiwillig zusammenzuschließen. Das gilt auch für das palästinensische Volk.
Während wir als Sozialist:innen die nationale Befreiung unterstützen, müssen wir uns jedoch bewusst sein, dass mit dem Ende von neokolonialer Unterdrückung auch immer die Widersprüche im Inneren massiv zum Vorschein kommen. Hier zeigen sich auch besonders deutlich die Grenzen, die der Kapitalismus einer wirklichen Selbstbestimmung der Völker setzt. Eine wirkliche Perspektive bietet weder die herrschende Klasse in Israel, noch die kollaborierende herrschende Klasse in Palästina. Eine letztendliche Lösung der nationalen Frage kann nur ein föderaler sozialistischer Staat der Arbeiter:innenklasse sein. Dafür muss auch die israelische Arbeiter:innenklasse sich gegen die eigene Bourgeoisie richten. Und ebenso benötigt es Kräfte in Palästina die eben auf den Zusammenschluss mit solchen antikolonialen Kräften in Israel abzielen, die heute jedoch erst äußerst schwach vorhanden sind.
Während früher der palästinensische Widerstand von linken Kräften angeführt wurde, sind es mittlerweile die mit verschiedenen regionalen Herrscherklassen verbündeten islamisch-fundamentalistischen Kräfte. Diese stellen letztlich auch eine Gefahr für die fortschrittlichen Kräfte im palästinensischen Befreiungsprozess dar. Ebenso sind antisemitische Pogrome Ausdruck eben dieser Dominanz von islamisch-fundamentalistischen Kräften, gegen die sich fortschrittliche Kräfte entschieden stellen müssen.
Eine grundsätzliche Unterstützung des Rechts auf Widerstand bedeutet nicht, pauschal jegliche Aktion zu unterstützen, die sich selbst unter dieses Banner stellt, gerade wenn die Bewegung von fundamentalistischen Kräften geführt wird. Die nationale Selbstbestimmung der Palästinenser:innen zu verteidigen bedeutet eben keinesfalls eine aktive Unterstützung der Hamas oder anderer rückschrittlicher oder fundamentalistischer Kräfte. Wir stellen uns gegen religiösen Fundamentalismus, antisemitische Pogrome und patriarchale Gewalt, ohne dabei vom legitimen Kampf gegen neokoloniale Besatzung, Ausbeutung und Unterdrückung abzuweichen.
Der Imperialismus ist ein Weltsystem, welches die Arbeiter:innenklasse über alle nationalen Grenzen hinweg ausbeutet und unterdrückt. Unsere Aufgabe ist es gegen eben dieses zu kämpfen. Neben dem Widerstand in Palästina sehen wir aktuell eine Verschärfung des Krieges gegen Kurdistan und die Vertreibung von Armenier:innen aus Arzach. Auch hier gilt, dass der legitime Kampf für nationale Selbstbestimmung unterstützt werden muss, um den Weg zu einer sozialistischen Gesellschaft zu ebnen.
Als Arbeiter:innen in Deutschland stehen wir Seite an Seite mit unseren Geschwistern auf der ganzen Welt in ihrem Kampf für eine befreite Gesellschaft.
Hoch die internationale Solidarität!