„Mehr Fortschritt wagen”, schrieb Nancy Faeser im Dezember 2021 kurz nach ihrer Ernennung zur Innenministerin durch den damals neu ins Amt gewählten Bundeskanzler Olaf Scholz, „heißt für mich, meinen Beitrag für einen Aufbruch in eine offenere und tolerantere Gesellschaft zu leisten.” Heute, nicht ganz drei Jahre später, ist von „Offenheit” und „Toleranz”, wie von so vielen pseudofortschrittlichen Wahlversprechen der Ampel, nichts übrig geblieben.
Stattdessen baut Faeser den Polizeistaat systematisch aus. Im Namen der „Sicherheit” und der „Demokratie” erweitert das Innenministerium Schritt für Schritt die Befugnisse der Sicherheitsbehörden und stößt Gesetzesverschärfungen sowie ein brandneues „Sicherheitspaket” an.
Ausgebeutet oder abgeschoben werden
Was Olaf Scholz vor einem Jahr gefordert hat – Deutschland müsse „endlich im großen Stil abschieben” – setzt das Innenministerium unter Nancy Faeser konsequent um, und zwar nicht erst seit dem Anschlag in Solingen. „Rückführungsverbesserungsgesetz”, erleichterte Abschiebungen, Deportationen nach Afghanistan, Grenzkontrollen in Europa – allein die Bilanz der Ampel-Regierung im letzten Jahr liest sich wie ein Wunschtraum der faschistischen AfD.
Mit der immer weiter fortschreitenden Verstümmelung des Asylrechts und der rassistischen Hetze gegen Geflüchtete und Migrant:innen schlägt das Innenministerium mindestens zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen entledigt sich der deutsche Staat nun deutlich schneller all denen Migrant:innen, die nicht vom deutschen Kapital als Arbeiter:innen ausgebeutet werden können. Zum anderen wird eine beständige Drohkulisse für alle migrantischen Arbeiter:innen in Deutschland geschaffen. Das wiederum verschafft nicht zuletzt den Kapitalist:innen die nötige Ruhe, um migrantische Arbeiter:innen in besonderem Maße ausbeuten zu können und sich so Extra-Profite und Vorteile gegen ihre Konkurrenz zu verschaffen.
Repression im Namen der Demokratie
Gleichzeitig ziehen Faeser und ihr Innenministerium auch die Repression gegen die „Demokratiefeinde” an – also gegen alle, die das Innenministerium und der deutsche Staat als seine Feinde wahrnimmt.
Um gegen sie vorzugehen, plant das Innenministerium unter anderem die Befugnisse des BKA massiv auszuweiten: Vermehrt anlasslose Kontrollen im öffentlichen Raum, verdeckte Hausdurchsuchungen oder mehr biometrische Überwachung sind nur einige Teile des groß angekündigten Sicherheitspakets der Ampelregierung.
Wie mit solchen Gesetzen, die sich angeblich nur gegen einen bestimmten kleinen und kriminellen Teil der Bevölkerung richten soll, agiert wird, sobald sie verabschiedet sind, können wir am Beispiel der Ausweitung der Präventivhaft nachvollziehen. Die Ingewahrsamnahme von Personen, denen unterstellt wird, in Zukunft eine Straftat begehen zu wollen, war vor allem im „Antiterrorkampf” gegen islamische Fundamentalist:innen wieder salonfähig geworden. Sie wird nun aber zum Beispiel auch angewendet, um Klimaaktivist:innen, die lediglich durch zivilen Ungehorsam für mehr Klimaschutz durch den Staat eintreten, vorsorglich einzusperren.
Nicht unsere Sicherheit, nicht unser Staat!
Sicher ist also vor allem eins: Der deutsche Staat vertritt, so wie jeder kapitalistische Staat, nicht unsere Interessen, sondern die der Kapitalist:innen!
Alle Maßnahmen und Pakete, die Faeser, Scholz und Co. gerade auf den Weg bringen, wird der Staat auch bereitwillig gegen unsere ganze Klasse ins Feld führen, sobald es die Kapitalist:innen für nötig erachten würden – sobald sie uns nicht mehr in Ruhe ausbeuten können. Denn es ist nur die Sicherheit der Kapitalistenklasse und nicht unser aller Sicherheit, die der Staat gewährleisten soll.
Es geht der Regierung nicht darum, uns vor Terror und Kriminalität zu schützen und dafür kurzfristige Maßnahmen zu ergreifen. Was hier vor aller Augen passiert ist auf lange Dauer angelegter Klassenkampf von oben. Dinge, die vor zehn Jahren noch undenkbar waren, werden jetzt zur neuen Normalität. Im Aufbau einer klassenkämpferischen Bewegung von unten sind wir also damit konfrontiert, dass der Gegenwind von oben rauer wird – wie etwa zuletzt bei vermehrten Hausdurchsuchungen in Berlin, Augsburg, Ingolstadt, München und anderswo – und der Staat sein Arsenal deutlich erweitert.
Doch darauf kann es nur eine Antwort geben: Lassen wir uns von diesem Staat und seinen Maßnahmen nicht einschüchtern und nicht spalten. Wenn wir uns als Klasse vereinen, wenn wir es schaffen, Geflüchtete, Migrant:innen, Arbeiter:innen und alle anderen Ausgebeuteten und Unterdrückten in einer klassenkämpferischen Bewegung zu vereinen, dann werden am Schluss alle Maßnahmen, alle Spaltereien der Kapitalist:innen umsonst sein!