In den vergangenen Wochen wurden Stellungnahmen veröffentlicht, in denen der Umgang unserer Föderation und ihrer verschiedenen Mitgliedsorganisationen, sowie anderer Organisationen mit patriarchaler Gewalt und patriarchalem Verhalten kritisiert werden. Das passiert in den verschiedenen Stellungnahmen sowohl anhand der Kritik am Umgang mit konkreten Personen und Fällen, sowie grundsätzlichen Kritiken an allgemeinen Herangehensweisen an Fragen dieser Art.
Dazu haben wir in den letzten Wochen begonnen, intern selbstkritisch zu arbeiten. Wir haben bisher von einer öffentlichen Stellungnahme abgesehen, da wir denken, dass die Arbeit zu patriarchaler Gewalt immer auch eine konkrete Auseinandersetzung mit den jeweiligen Fällen bedeutet – eine Auseinandersetzung die im Internet kaum zielführend geführt werden kann.
Dafür gibt es zahlreiche Gründe: Zum einen würde es bedeuten viele Informationen und Details zu Gewalterlebnissen online und damit wahllos allen möglichen Personen zur Verfügung zu stellen. Zum anderen ist der Raum für eine ernsthafte politische Debatte im Internet heute sehr begrenzt und wird den Standards, die wir an die Arbeit zu diesem Thema haben, nicht gerecht. Auch wenn wir nun den Schritt zu einem Statement gegangen sind, denken wir weiterhin, dass die hauptsächliche Debatte im persönlichen Gespräch stattfinden muss. Dafür stehen wir als Föderation natürlich auch über diesen Text hinaus weiterhin jeder Zeit zur Verfügung.
Wir nehmen die Kritiken ernst, widmen uns ihnen und übernehmen hier auch öffentlich Verantwortung. Das tun wir, in dem wir in dem folgenden Statement unsere Herangehensweise in den letzten Jahren erläutern und darlegen werden, was für praktische Konsequenzen wir daraus ziehen, die wir bisher nur intern und im persönlichen Gespräch diskutiert haben. Dafür ist es notwendig, bestimmte Ereignisse in einen zeitlichen Kontext zu setzen, da wir nur so nachvollziehbar machen können, welche Organisationen zu welchem Zeitpunkt welche Verantwortung in der Arbeit zu konkreten Fällen getragen haben. Das bedeutet keinesfalls, dass wir heute unsere Verantwortung auf andere abschieben wollen, sondern viel mehr, dass wir unsere Verantwortung ernst nehmen und unsere Rolle in der Entwicklung unserer Organisationen auswerten und diskutieren.
Entwicklung der FKO und ihrer Arbeit zu patriarchaler Gewalt
Die in den letzten Wochen veröffentlichten Vorwürfe spielen sich in einem relativ großen Zeitfenster ab. Teile davon liegen viele Jahre zurück, andere wiederum liegen in der jüngeren Vergangenheit. Die Kritiken an unserem Umgang beziehen sich damit sowohl auf Entscheidungen, die vor einigen Jahren getroffen wurden, als auch auf unsere aktuellen Entscheidungen und unseren Umgang heute.
Die FKO hat sich vor rund zweieinhalb Jahren gegründet. Sie ist ein föderativer Zusammenschluss von anfänglich vier, heute fünf klassenkämpferischen Organisationen. Für einen großen Teil der Vorwürfe gilt, dass die FKO zum Zeitpunkt der Ereignisse noch nicht existiert hat. Sowohl organisatorisch in dem Sinne, dass der Zusammenschluss zur FKO erst vor zweieinhalb Jahren stattgefunden hat, als auch quantitativ und qualitativ im Sinne der einzelnen Organisationen, die eine wesentlich kleinere Größe hatten oder noch gar nicht existierten.
Dennoch war unser Anspruch an die antipatriarchale Arbeit von Beginn an hoch. In vielen Bereichen unserer Arbeit ist es uns auch gelungen, einen bestimmten Fokus auf die Frauenarbeit zu legen, zu antipatriarchalen Kampftagen zu arbeiten, Seminare und Workshops zur Entwicklung von Geschlechtsbewusstsein durchzuführen und auch in den gemischt-geschlechtlichen Organisationen ein Bewusstsein für die Notwendigkeit des antipatriarchalen Kampfes zu entwickeln.
Dennoch ist der Stand dieser Entwicklung heute weiterhin unzureichend und insbesondere in Bezug auf patriarchales Fehlverhalten und Gewalt war und ist die Arbeit unterentwickelt.
Unterentwickelt in dem Sinne, dass wir zwar in der Praxis auf die Notwendigkeit antipatriarchaler Arbeit zu konkreten Vorfällen gestoßen sind, dieser aber im Konkreten nicht eigenständignachgekommen sind. So gab es zu keinem Zeitpunkt eigene Gremien, um systematisch den Umgang mit patriarchaler Gewalt innerhalb der eigenen Strukturen zu organisieren. Diese Gremien existieren auch heute noch nicht. Es wurde zwar eine allgemeine Haltung zum Thema entwickelt, die jedoch nicht festgehalten, verallgemeinert und verkollektiviert wurde.
Stattdessen haben wir eine andere Organisation, die Kommunistischen Frauen, angefragt mit der Bitte, uns in der konkreten Arbeit dazu zu unterstützen. Grundsätzlich müssen wir uns hierbei der Realität stellen, dass wir durch diese Herangehensweise auf bestimmte Widersprüche stoßen: so müssen wir Verantwortung für den Umgang mit den bei uns organisierten und ehemals organisierten Personen übernehmen und alle Entscheidungen, die wir diesbezüglich getroffen haben; wir sind aber zugleich nicht die Struktur, die im konkreten mit ihnen an ihrem Verhalten gearbeitet und die konkreten Vorfälle aufgearbeitet hat.
Uns fehlt also auch heute die verkollektivierte praktische Erfahrung in der Arbeit zu patriarchalem Verhalten und Gewalt, weshalb wir auch heute noch immer wieder auf die antipatriarchale Arbeit der Kommunistischen Frauen (KF) zurückgreifen, da wir deren Herangehensweise damals wie heute trotz der Kritiken zu konkreten Entscheidungen als die fortschrittlichste, die wir kennen, einschätzen. Während die konkrete Arbeit also durch die KF organisiert wurde, haben wir dennoch die Entscheidungen auf der Grundlage der Einschätzungen der KF mitgetragen und übernehmen somit auch selber Verantwortung für Fehler und falsche Entscheidungen, die getroffen wurden. Dennoch können wir an dieser Stelle nicht die Verantwortung für die Arbeit der KF übernehmen und Stellung beziehen zu den Kritiken, die explizit gegen die Prinzipien ihrer Struktur gerichtet sind. Dazu werden die Genossinnen sicher selber in der kommenden Zeit Stellung beziehen. Zu den verschiedenen Vorwürfen, Schlussfolgerungen und Konsequenzen daraus stehen wir mit ihnen im Austausch.
Praktische Schlussfolgerungen
Die Auswertungen und Diskussionen über notwendige Veränderungen in Theorie und Praxis unserer eigenen Organisationen werden unsere kritische und selbstkritische Arbeit in den nächsten Monaten begleiten.
Wir wollen einerseits Standpunkte zum konkreten Umgang mit patriarchalem Verhalten und Gewalt sowie unserem Umgang damit – welche bisher nur in nicht verkollektivierter Form vorliegen – entwickeln.
Unsere Aufgabe besteht zudem darin, Gremien und Mechanismen aufzubauen, die in der FKO greifen, ohne dass die KF oder andere außenstehende Organisationen zur Bearbeitung von konkreten Fällen hinzugezogen werden müssen und den großen Teil der Verantwortung für unsere Teilstrukturen übernehmen müssen.
Wir müssen also Prinzipien und eine Arbeitsweise entwickeln, die für alle Mitglieder verbindlich sind und zu einem kollektiven Verantwortungsbewusstsein beitragen. Wir müssen dabei selbstkritisch auswerten, dass wir hier noch weit hinter unseren theoretischen Ansprüchen zurückliegen.
Wir werden in den kommenden Wochen und Monaten die Diskussion als FKO und in allen Teilstrukturen dazu nutzen, konkrete Schritte zu gehen, um diesen Mangel an unserer bisherigen organisatorischen Struktur zu beheben.
Wir werden somit den erkannten Mängeln und geleisteten Selbstkritiken praktische Schritte folgen lassen, an welchen ihr uns in Zukunft messen könnt.